2. Sonntag
im
Jahreskreis
Charismen, Gnadengaben, die hat man - oder man bekommt sie verliehen. Mit der Weihe zum Beispiel - mit ihr bekommt man eine ganze Reihe von Charismen verliehen. Und manchmal hat es sogar den Anschein, als bekäme man durch die Weihe sogar die Fülle der Gnaden: Vom Spenden der Sakramente, über die nötige Sensibilität in der Seelsorge, von Führungsqualitäten bei Mitarbeiter*innen über die rechtlichen Gegebenheiten bei Verträgen, von der finanzspezifischen Manger-Qualifikation über die planungstechnischen Fähigkeiten bei Bauprojekten bis hin zur Kompetenz bei der Denkmalpflege scheint ein Priester durch die Weihe ja sämtliche Fähigkeiten verliehen zu bekommen.

Selbstverständlich, klingt das nach einer schlechten Karikatur. Obwohl diese Karikatur manchmal der Wirklichkeit erschreckend nahekommt. Dem Pfarrer traut man zu, dass er eigentlich alles kann. Zumindest entspricht dies dem klassischen Bild. Und es entspricht wenigstens insofern der Realität, als in allen Dingen der Pfarrer immer noch die Letztverantwortung und damit natürlich auch das letzte Wort hat.

Und dabei kann ein Pfarrer - in aller Regel - auch nicht mehr als andere Leute. Er hat seine Fähigkeiten, seine Charismen, das, was ihm leicht von der Hand geht, aber natürlich genauso das, was ihm schwerfällt, seine Schwächen und seine handfesten Fehler - nicht mehr und nicht weniger als alle anderen Menschen auch.

Jetzt mag es früher, als Gemeinden noch überschaubar gewesen sind, als Kirche vor Ort noch so schön heimelig und gleichsam familiär war, - jetzt mag es früher noch angegangen sein, dass ein Pfarrer für alles zuständig war. Heute aber, wo jeder Seelsorgeraum meist mehrere Pfarrgemeinden einnimmt, ist beim klassischen Denken das Desaster eigentlich schon vorprogrammiert.

Da es auch unter den Pfarrern die "eierlegende Wollmilchsau" nicht gibt, gilt es einfach ernst zu nehmen, dass jeder - und wirklich jeder - nur über eine ganz bestimmte und sehr beschränkte Anzahl von Talenten verfügt. Es gibt den Pfarrer, der alles kann, nicht - es hat ihn nie gegeben, es wird ihn nie geben und selbst von ihm zu träumen, ist nicht im Sinne Jesu.

Schon Paulus schärft seinen Gemeinden schließlich ein, dass es unterschiedliche Begabungen, ganz unterschiedliche Charismen gibt und dass es viele - nicht einen einzelnen - braucht. Im 1. Korintherbrief sagt er es auf beinahe unnachahmliche Weise. Und er beschreibt, wie all die unterschiedlichen Gaben auf die unterschiedlichsten Leute verteilt werden - auf keinen alle, auf niemanden keine, aber auf jeden und jede irgendeine andere.

Deshalb kann es auch nur funktionieren, wenn wir die Gaben, die die einzelnen durch Gottes Geist verliehen bekommen haben, zusammenbinden, bündeln und je fürs Ganze wirksam werden lassen. D. h. alles andere als: Der Pfarrer kann halt nicht mehr alles alleine machen, deshalb müssen wir ihm jetzt eben helfen. Das wäre völliger Nonsens. Es geht nicht darum, dem Pfarrer zu helfen, denn Christsein ist nicht Aufgabe des Pfarrers. Es geht darum, meinen Platz und meine Aufgabe im Gefüge des Ganzen zu entdecken und auszufüllen.

Der Pfarrer hat seine Aufgabe und die umfasst nur einen ganz kleinen Teil des großen Spektrums an Diensten, die die Gemeinde aufbauen. Und jeder und jede hat eine andere - je nach ihren Fähigkeiten. Und nur wenn alle Fähigkeiten und Gaben, die in unseren Gemeinden verborgen sind, nur wenn sie alle zum Tragen kommen, nur dann wird Gemeinde wirklich blühen.

Das Miteinander von Menschen in der Nachfolge Christi ist vielleicht das wichtigste Erbe, das uns Jesus hier auf Erden hinterlassen hat. Sein Geist gibt uns dazu Gottes Gaben. Dass sie wirklich Nutzen bringen, dass sie nicht nur in der Luft verpuffen, sondern Frucht bringen können, das liegt ein gutes Stück weit, an uns, und zwar an jeder und jedem einzelnen - damals zur Zeit von Paulus, ebenso hier und heute.

 
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