Hätte ich die Wahrheit
Aus Martin Gutl u. a., Ich weiß, wem ich glaube. Meditationstexte, Verlag Styria, Graz 1995, 75f.
 
Hätte ich die Wahrheit
und hätte die Liebe nicht,
ich hätte keine Wahrheit.

Wäre die Wahrheit so leicht zu fassen
wie eine Silbermünze,
dann könnte ich sie in die Geldbörse tun
und brauchte mich nicht damit zu plagen,
mein Leben lang nach ihr zu streben.

Wäre die Wahrheit so leicht zu fassen
wie das Einmaleins,
dann könnte ich sie in der Schule lernen
und wüsste immer,
wann ich irre und wann nicht.

Wäre die Wahrheit so leicht zu fassen
wie ein Satz der Sprache,
dann brauchte ich nur den Wortlaut zu kennen
und bedürfte keiner Bilder und Gleichnisse,
um sie zu begreifen.

Wäre die Wahrheit so leicht zu fassen
wie die Logik
oder wie Albert Einsteins Relativitätstheorie,
dann würde im Prinzip die Vernunft genügen,
um die Wahrheit zu kennen,
und es bedürfte der Liebe nicht.

Hätte ich die Wahrheit
und hätte die Liebe nicht,
ich hätte keine Wahrheit.